Osteopathie, Corona-Leugner und das Leugnen von Wissenschaft allgemein

Die Osteopathie hat wie die Homöopathie einen Gründer und Großmeister, dessen Licht (besser Schatten) bis in die heutigen Tage nachwirkt.

Dieser große Meister heißt Andrew Taylor Still und war ein amerikanischer Arzt im 19. Jahrhundert. Laut Wikipedia (Stand Okt. 2020) lehnte Still die wissenschaftlich erbrachten Erkenntnisse von Louis Pasteur und Robert Koch bezüglich von Bakterien und Mikroben ab. Wenn er also heute noch leben würde, wäre er höchstwahrscheinlich zusätzlich auch ein Corona-Leugner. Mal Hand aufs Herz: würden Sie sich von einem Arzt, der ein Corona-Leugner ist, behandeln lassen wollen? Diejenigen, die auf Osteopathie und Homöopathie / Anthroposophie schwören, würden das bestimmt tun, aber das ist - Gott sei Dank - nur eine Minderheit - allerdings eine sehr präsente und wirtschaftlich mächtige Minderheit.

Die modernen Osteopathen in Europa behaupten, sie hätten im Laufe der anderthalb Jahrhunderte seit Gründung die Osteopathie weiterentwickelt - diese Behauptung darf durchaus angezweifelt werden, denn in allen osteopathischen Lehrbüchern wird immer noch auf den Gründer und seinen abstrusen Ideen und Gedanken zur menschlichen Gesundheit Bezug genommen. Allein dessen Vorstellung ein ganzes Arsenal an Krankheiten nur durch ein paar Handgriffe zu heilen beziehungsweise - in seinen Worten - die sogenannten Selbstheilungs-Mechanismen anzuregen, entbehrt jeder wissenschaftlichen und medizinischen Grundlage.

Die europäischen Osteopathen leben von der Bekanntheit von der in den USA lange etablierten osteopathischen Medizin, wo die späteren osteopathischen Ärzte (D.O.) ein medizinisches Curriculum durchlaufen, ähnlich dem Medical Doctor (M.D.). Dies ist in Europa nicht der Fall, weil Osteopathie nicht in das Ausbildungscurriculum von Ärzten aufgenommen wurde (und auch nicht wird). In Europa sind es daher alternative Gesundheits-Praktiker (wie in Deutschland z. B die "Heilpraktiker"), die die Osteopathie verbreiten und ausführen.

Hier hat seit dem Sommer 2015 ein Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorfs - das wie ein Meteorit in die Reihen der Osteopathen eingeschlagen hat - für Rechtssicherheit in dem Sinne gesorgt, dass die Osteopathie seitdem ausschliesslich nur noch von Ärzten und Voll-Heilpraktikern angeboten und ausgeführt werden darf. Auch eine sogenannte „Delegation“ wurde vom Gericht untersagt. Ein Physiotherapeut zum Beispiel, der eine fünfjährige Osteopathie-Ausbildung durchlaufen hat, aber keinen Heilpraktiker-Status besitzt, darf seit dem OLG-Urteil diese Therapie weder anbieten noch durchführen. Dies wissen natürlich auch alle Heilpraktikerverbände und privaten Institutionen, die Osteopathie anbieten und raten ihren Teilnehmern seitdem zur Heilpraktiker-Überprüfung, um den Heilpraktikerstatus zu erlangen. Unter diesem Label kann man so gut wie alles medizinisch Unbewiesene subsumieren.

Mittlerweile gibt es in Deutschland eine wachsende Anhängerschaft von Heilpraktiker-Gegnern, die für eine radikale Neuordnung des Heilpraktikerberufes sind beziehungsweise - in letzter Konsequenz - sogar für dessen Abschaffung plädieren, weil der Heilpraktiker mit einer evidenzbasierten, modernen, wissenschaftlichen Medizin nicht zu vereinbaren ist (z.B. der Münsteraner Kreis, dem viele namhafte Wissenschaftler und Mediziner angehören). Ein diesbezüglich vom Bundesminister a.D. für Gesundheit Spahn in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten ist fertig. Eine Abschaffung des Heilpraktiker-Berufes erlaubt das Grundgesetz nicht, aber eine Beschneidung und erhebliche Einschränkung von Befugnissen wäre denkbar.

Wer also von einem Osteopathen hört, der womöglich damit wirbt, auch Krankheitsbilder mit „seiner“ Osteopathie heilen beziehungsweise lindern zu können, die selbst für die evidenzbasierte Medizin schwierig zu behandeln sind - wie zum Beispiel der Autismus - kann durchaus schlussfolgern, dass hier offenbar ein Scharlatan ist.

Der ehemalige amerikanische Arzt und Osteopath Dr. Upledger hat seinerzeit behauptet, er hätte mit seinen -abstrusen - craniosakralen Techniken wie z.B. dem sogenannten „Ear-Pull“ Autismus-Kinder erfolgreich behandelt. Dies entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage und ist ein absoluter esoterischer Unfug, wird aber unreflektiert weiterhin in den Upledger-Lehrbüchern als Beispiel für die weitreichende Wirkungsweise der Osteopathie gelehrt. Viele Osteopathen werben direkt oder indirekt auch damit, das mit „ihrer“ Osteopathie insgesamt auch das Immunsystem gestärkt würde, weil die Selbstheilungs-Mechanismen durch die osteopathischen Techniken angeregt würden. Auch hier gibt es keinerlei wissenschaftlich-medizinischen Beweise für solche abenteuerlichen Behauptungen.

Diese Beispiele zeigen eindrucksvoll, wie weit die Osteopathie von einer evidenzbasierten Medizin entfernt ist. In der Öffentlichkeit wird leider oft ein verzerrtes Bild der Osteopathie propagiert, sie sei wissenschaftlich fundiert und würde nur auf bewiesenen anatomisch-physiologischen Erkenntnissen beruhen. Das Gegenteil ist der Fall. Dazu braucht man nur in ein einziges osteopathisches oder Upledger-Lehrbuch zu schauen.

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