Werbung mit angeblichen Heilwirkungen durch Osteopathie / sog. osteopathische Techniken

Inzwischen gibt es mehrere, eindeutige Urteile wegen angeblicher Heilwirkungen durch die sogenannte "Osteopathie" von vier verschiedenen Gerichten aus vier verschiedenen Bundesländern  (Oberlandesgericht Düsseldorf, Oberlandesgericht Hamburg, Landgericht Berlin, Landgericht Karlsruhe):
1. Urteil des OLG Düsseldorf vom 5.11.2013 (Berufungsurteil)
Hier hatte ein Physiotherapeut einen Kollegen wg. irreführender Werbung mit Heilaussagen verklagt. Der Beklagte hatte im Internet ausführlich dargestellt man könne das sog. "KISS-Syndrom" und "KIDD-Syndrom" erfolgreich mit osteopathischen Techniken aus der Manuellen Therapie behandeln. Nach der Abmahnung und abgegebener Unterlassungserklärung, hat der Beklagte wieder zweifelhafte, irreführende Informationen zur Behandlung der beiden o.g. Syndrome ins Internet gestellt. Interessant sind zwei Dinge in diesem Urteil: a. Der Beklagte hatte später diesen Zusatz in seine Internetseite eingebaut: "Diese Behandlungsmethode ist nicht schulmedizinisch erwiesen, doch sie zeigte sich bei unserem Sohn mit Erfolg!!!"  Diese Aussage hat das Gericht als nicht ausreichend zur Abwendung einer Irreführung aberkannt! Das Gericht führt aus: "Diese geschäftlichen Handlungen sind gemäß § 3 Abs. 1 und 2 UWG unzulässig. Sie sind unlauter, da ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 Nr. 1 HWG vorliegt. Nach der zuletzt genannten Norm liegt eine unzulässige irreführende Werbung vor, wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben." Der Beklagte konnte keine Studien vorlegen, die eine eindeutige Wirksamkeit der Osteopathie für die genannten Syndrome belegen würden. b. Der Beklagte führte an, dass ja sogar die Krankenkasse X, die osteopathisch-manualtherapeutische Behandlung jetzt zahlen würde. Dazu das Gericht: "Wann und weshalb Krankenkassen bestimmte Kosten übernehmen, ist nicht allein eine Frage des wissenschaftlichen Beweises einer Wirksamkeit der entsprechenden Behandlung, sondern hängt von diversen, zum Teil auch betriebswirtschaftlichen Erwägungen der Kassen ab. Die Erstattung bestimmter Kosten dient allein ihrem Bestreben, bestimmte Bevölkerungsteile an sich zu binden. {Hervorhebungen durch den Blogautor}

2. Höchstinteressant ist es nun, dass es seit dem 5.11.2012, also auf den Tag genau ein Jahr vorher, ein Urteil des OLG Hamburg zu genau demselben Sachverhalt gegeben hat. Hier war der Beklagte allerdings ein (bekannter Hamburger) Arzt, der osteopathisch tätig war. Er wurde schliesslich verurteilt die irreführenden Werbung zu entfernen. In diesem Urteil kommt noch ein dritter Aspekt c. zu den beiden oben genannten hinzu, denn es wurde hier grundsätzlich in Frage gestellt, dass es aus schulmedizinischer so etwas wie ein "KISS-Syndrom" bzw. "KIDD-Syndrom" höchstwahrscheinlich gar nicht gibt!!! Zitate aus dem Urteil: "175 Die streitgegenständlichen Werbeaussagen des Antragsgegners erwecken bei den angesprochenen Verkehrskreisen den Eindruck, dass es ein Krankheitsbild namens KISS- bzw. KIDD-Syndrom gibt, welches mit manueller Medizin/Therapie, insbesondere Osteopathie, wirksam behandelt werden könne.
178 Da die Erwartungshaltung des Verkehrs hinsichtlich des Wirkungsbezugs einer Angabe in der Regel dahin geht, dass die Wirkungsangabe wissenschaftlich hinreichend abgesichert ist (Riegger Kap. 3 Rn. 25 u. 33), gehen die angesprochenen Verkehrskreise weiter davon aus, dass sowohl das genannte Krankheitsbild (KISS/KIDD) als auch die Wirksamkeit der beworbenen Behandlung (Manuelle Medizin/Osteopathie) hinreichend wissenschaftlich belegt sind.
179 Es ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass diese Annahmen falsch, die Werbung mithin irreführend ist.
182 Der Antragsteller hat jedoch mit der Vorlage der Stellungnahme der Gesellschaft für Neuropädiatrie e.V. aus dem Jahr 2005 (Anlagen A 6 = Anlage A 14), welche noch heute aufrecht erhalten wird, dargelegt und glaubhaft gemacht, dass weder die Existenz der Krankheitsbilder KISS bzw. KIDD noch die Wirksamkeit der Behandlung dieser Krankheitsbilder im Wege manueller Medizin, insbesondere Osteopathie hinreichend wissenschaftlich belegt sind. 
183 In der Stellungnahme wird ausgeführt, dass die Existenz der Kopfgelenk-induzierten-Symmetrie-Störung (KISS) im Sinne eines definierten Krankheitsbildes, das klinisch vor allem zu Störungen der Körperhaltung im Säuglings- und Kleinkindalter führen oder für eine Reihe von Verhaltensstörungen verantwortlich sein soll, bisher eine unbewiesene Hypothese sei."  {Hervorhebungen durch den Blogautor}

3. Ein drittes Urteil wegen irreführender Werbung mit Osteopathie ist vom Landgericht Berlin ausgesprochen worden. In der Berufungsinstanz wurde es nun vom Kammergericht Berlin (Az. 5 U 120/13 - 19.06.2015) bestätigt und rechtskräftigSiehe auch den Artikel von Frau Brigitte Siegerin http://www.brigitte-siegerist.de/aktuell~~~~28 hierzu.
4. Ein weiteres Urteil wegen irreführender Werbung mit Osteopathie insbesondere wegen unbewiesener therapeutischer Heilwirkungen wurde vom Landgericht Karlsruhe bereits im November 2014 ausgesprochen.

Kommentar: Was besagen diese Urteile? Das Heilmittelwerbegesetz setzt strenge und hohe Massstäbe, was die Bewerbung von (angeblichen) Heilwirkungen von (angeblichen) medizinischen Methoden angeht. Nur, wenn solche eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen wurden, darf man sie zur Bewerbung auch benutzen. Der Gesetzgeber setzt hier bewusst zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung sehr hohe Anforderungen, weil Gesundheit ein höchst schützenwertes Gut ist. Keiner der Beklagten konnte jedoch einen solchen Beweis erbringen! Damit ist im Umkehrschluss aber auch bewiesen, dass es keine eindeutigen wissenschaftlichen Beweise für die Osteopathie gibt, sonst wären sie ja zu Verteidigung herangezogen worden! Und alles, was zur Verteidigung herangezogen wurde, wurde von den Gerichten als "ungenügend" eingestuft. Ungenügend nicht mangelhaft! Wie viele Urteile müssen noch gesprochen werden, damit die sogenannte "Osteopathie" und die sogenannte "Craniosacrale Therapie" aus dem deutschen Gesundheitssystem verschwinden?
Siehe auch meine Blogbeiträge zur wissenschaftlichen Beweislage in der Osteopathie / Craniosacrale Therapie und die wichtige Stellungnahme der Gesellschaft für Neuropädiatrie, die Craniosacrale Therapie unzweifelhaft nur als eine Art Massage einstuft und für keine Indikation als "Therapie".


überarbeitet am 1.5.2018

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