Die bizarren Techniken in der Osteopathie und Craniosacalen Therapie, Teil 4

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Dieser Post müsste eigentlich die "perversen" Techniken heissen....

Jüngst wurde in den USA ein vermeintlicher Osteopath verurteilt, der jahrelang junge Sportlerinnen mit manuellen Eingriffen im Intimbereich schwer missbraucht hatte. Siehe hier und hier. Selbst die international bekannte deutsche Bild-Zeitung berichtet von dem Fall, aber sie spricht über den Täter Nassar, wie als ob es sich um einen gewöhnlichen Arzt handeln würde und verschweigt leider, dass es sich um einen Osteopathen handelt.

Das Perverse an der Sache ist, dass es in der Osteopathie diese manuellen Techniken wirklich gibt, sie unterrichtet und angewendet werden, nicht nur in den USA, wo ein Osteopath den Status eines Arztes und eine medizinische Ausbildung hat, sondern offenbar auch hierzulande (s.u.), wo Osteopathen keine staatlich geregelte Ausbildung haben und rein privat agieren.

Die erste perverse Technik ist die sogenannte "Steissbein-Technik". Hierbei wird ein Finger in den Analbereich eingeführt, um das Steissbein von innen zu ertasten, während ein anderer Finger von aussen auf dem Steissbein ruht. Im Anschluss an die Platzierung der Finger wird das Steissbein im osteopathischen Sinne mobilisiert. Schauen Sie bitte einmal hier, in dem genannten Heilzentrum wird offen für diese Technik geworben. Osteopathen brüsten sich gerne damit, dass ein bewegliches Steissbein bei Frauen unerlässlich für eine natürliche Geburt (schauen sie bitte hier) ist oder, dass man es nach Stürzen auf das Gesäss unbedingt behandeln müsse, um Rückenschmerzen zu verhindern. Ob diese Technik wirklich helfen / heilen soll, ist mehr als zweifelhaft, einmal davon abgesehen, dass sie sehr unangenehm ist, genauso für eine Frau wie für einen Mann ist und einen schweren Eingriff in den Intimsbereich bedeutet, der ja sonst i.d.R. nur von Gynäkologen oder Urologen untersucht werden darf. Bisher gibt es nicht eine einzige unabhängige, medizinische Studie, die die Wirksamkeit dieser Technik belegen würde. Weltweit - nichts.

Die zweite perverse Technik ist die sogenannte "Symphysen-Technik" bei der ein oder zwei Finger in die Vagina der Frau eingeführt werden, um die Symphyse, die Stelle wo die Schambeinknochen sich vorne treffen, von innen zu ertasten während ein oder zwei Finger von aussen aufliegen. Eine ähnliche Prozedur finden Sie hier: https://crafta.net/artikel/art52_pp-7-8-17_Fall_fur_Vier.pdf auf Seite 6, dort Abbildung 7. Dort gibt ein vermeintlicher Osteopath an, dass er bei Bruxismus (Zähneknirschen) die Bänder in der Schamregion behandeln würde!? Das ist weder anatomisch noch physiologisch nachvollziehbar. Neben der - ebenfalls äusserst unangenehmen - Prozedur, ist der medizinische Wert und Erfolg auch dieser Behandlung ebenso vollkommen zweifelhaft wie bei der Steissbein-technik und ethisch sehr fragwürdig. Siehe eine aktuelle Übersichtsstudie ("Systematic-Review") hierDort steht, Zitat: "CONCLUSIONS: The results of the systematic review lead us to conclude that well-conducted and sound evidence on the reliability and the efficacy of techniques in visceral osteopathy is absent." Übersetzung: "Zusammenfassung - Die Resultate dieser Übersichtsarbeit führen uns zu der Schlussfolgerung, dass gut durchgeführte und klare Beweise in der Zuverlässigkeit und Effizienz von Techniken in der viszeralen Osteopthie nicht vorhanden sind."

Mir ist aus meinem Bekanntenkreis zumindest ein Fall bekannt, wo ein vermeintlicher Osteopath in Münster diese Techniken bei einer jungen Frau anwenden wollte. Diese lehnte jedoch ab und ging danach nicht mehr in die Behandlung. Wenn Sie mit derartigen Techniken von einem Osteopathen in Deutschland gegen Ihren Willen oder ohne vorherige Aufklärung behandelt wurden, gehen Sie bitte zur Polizei und Staatsanwaltschaft und zeigen diese Person an, denn Sie Opfer einer Straftat geworden!

Mit dem Einverständnis der Patientin dürfen in Deutschland offenbar jedoch selbst Heilpraktiker hierzulande intravaginal behandeln, siehe auch die Einwilligungserklärung Vaginal-Touché einer osteopathischen Praxis; dort finden Sie auch ein Bild zu dieser Technik. Doch es kommt noch ekelhafte: die vaginale Symphysentechnik wurde sogar anhand von 46 freiwilligen Frauen in einer deutschen Studie getestet (wer waren diese armen Frauen?). Ein Skandal der seinesgleichen sucht! Wie die Ethik-Kommission so eine Studie genehmigen konnte, ist mehr als schleierhaft. Die Studie wurde denn auch - wie sich später herausstellte - erst registriert, nachdem sie durchgeführt wurde! Die Ethikkommissionsvorlage wurde von einem privaten Forschungsinstitut eingebracht und die Studie wurde von einer osteopathischen Privatpraxis aus Süddeutschland finanziert, die von einer Ärztin für osteopathische Medizin geleitet wird. Siehe das komplette Dokument hier
Der Originaltitel der Studie lautet: "Osteopathic intravaginal treatment in pregnant women with low back pain" Als Ergebnis sollen die osteopathischen Techniken angeblich Unterleibsbeschwerden lindern. Als Mitautor wird ein bekannter Osteopath aus Hamburg genannt. Von einer unabhängigen Studie ohne Interessenkonflikte kann hier mit Sicherheit nicht gesprochen werden. Dass das angeblich positive Ergebnis der Studie zudem sehr wohl positive ökonomische Konsequenzen für die Betreiber dieser Studie haben kann, liegt auf der Hand. Quellen zur Studie: https://academy.iuga.org/iuga/2017/42nd/175242/anja.wiesner.osteopathic.intravaginal.treatment.in.pregnant.women.with.low.html und
http://cochranelibrary-wiley.com/o/cochrane/clcentral/articles/455/CN-01451455/frame.html (um diesen Link zu öffnen, muss man einen Zugang zur Cochrane Bibliothek haben). Hier der kritische Post von Prof. Ernst, der sich mit dem Fall beschäftigt hat, nachdem ich ihn darauf aufmerksam gemacht habe.

Den deutschen Fall Nassar können Sie hier lesen.

Fazit: In der Osteopathie wird letztlich versucht, unhaltbare Prämissen ("Breath of life" Konzept, "primärer respiratorischer Mechanismus", "Craniosacraler Rhythmus", "Mittellinie", "Tide" u.a.) mit strengsten wissenschaftlichen Methoden (Anatomie und Physiologie) zu belegen. Es wird in der Osteopathie von komplett irrwitzigen Annahmen ausgegangen, die mit einem immens grossen Aufwand zu beweisen versucht werden. Alle vernünftigen Schlussfolgerungen aus Anatomie, Physiologie und alle seriösen, validen und fundierten, medizinischen Untersuchungen und Studien widerlegen jedoch das gesamte Konzept der Osteopathie (z.B. die angebliche Beweglichkeit der einzelnen Schädelknochen im Erwachsenenalter oder dass die Behandlung von Schädelknochen irgendeinen Einfluss auf die Gesundheit eines Menschen haben kann).

Weitere kritische Beiträge zur "Alternativ-Medizin" finden Sie hier.

Weitere Infos:
https://www.psiram.com/de/index.php/Viszerale_Osteopathie

Selbst ein nach den Richtlinien des AWMF arbeitender "rationaler" Osteopath aus Karlsruhe warnt auf seiner Internetseite vor inneren Eingriffen, Zitat:" Warnen möchte ich Sie ausdrücklich vor einer manuellen "osteopathischen Behandlung" innerer Organe mittels sogenannter esoterischer "Osteopathie", gerade auch während der Schwangerschaft. Auch hierzu gibt es keine seriösen evidenzbasierten Studien und erst recht auch keine AWMF Leitlinien. Die von esoterischen Osteopathen ausgeführte, "direkte" osteopathische "Behandlung" innerer Organe, z.B. der Leber, Nieren oder der Bauchgefäße durch Druck oder Schub auf innere Organe durch die Bauchdecke hindurch kann zu Notfällen, inneren Verletzungen, Gefährdung des Ungeborenen und der Schwangeren führen. Wie schon gesagt, basieren die Techniken der "osteopathischen" Behandlung innerer Organe auf dem Paradigma des religiös motivierten, "manuellen Fundamentalismus" der meint, die Gesetze der Biomechanik seien auch für die Funktion der inneren Organe maßgeblich."

Update: siehe auch einen aktuellen Artikel vom 16.9.2020 in der Wiener Zeitung hier. Zitat:"Eine Frau wirft einem Wiener Arzt einen sexuellen Übergriff bei einer osteopathischen Behandlung vor. Dieser verweist auf eine anerkannte Therapieform. Alles nur ein Missverständnis? Dann folgt eine zweite Anzeige."

Update 3.3.2021: Missbrauch mit Vaginalen Techniken in Frankreich siehe hier.

Update 2.6.2021: Jahrelanger Missbrauch durch Physiotherapeut, der osteopathische vaginale und anale Techniken u.a. zur Behandlung von Rückenschmerzen angewendet hat, siehe Blog-Post hier: https://physiotherapeutische-redaktion-dus.blogspot.com/2021/06/vaginale-und-anale-osteopathischen.html

Impressum
ergänzt am 2.6.2021

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