Sind die sogenannte "Osteopathie" und "CranioSacrale Therapie" esoterische Methoden? - Teil 2

In Teil 1 habe ich den wissenschaftlichen Standpunkt Esoterik versus Osteopathie dargelegt. In diesem Blog-Post geht es darum, wie das ein Gericht sieht. Da stellen sich die Dinge, die wir im Alltag als richtig oder falsch verstehen und empfinden oft ganz anders dar. 

Ich war von einem Osteopathie-Verband aus Süddeutschland (AUN (Name geändert, wer den richtigen Namen wissen will, muss jeweils einen Buchstaben im Alphabet weiter gehen)) abgemahnt worden, weil ich auf meiner Praxisseite geschrieben hatte, dass wir "esoterische Methoden wie Osteopathie und Craniosacrale Therapie nicht anbieten". Dies war auch als ein Warnhinweis für Verbraucher / Patienten gedacht. Es ist sehr wichtig, dass Verbraucher gut informiert sind, bevor Sie eine Entscheidung für Ihre Gesundheit treffen. Gut informierte Verbraucher treffen bessere Entscheidungen als dumme Verbraucher, wobei mit "dumm" nicht informiert, wenig informiert oder falsch informiert gemeint ist.

Das Landgericht Düsseldorf hat dann am 16.12.2020 geurteilt, dass die Aussage mit "esoterisch" eine Herabwürdigung der Osteopathie insgesamt nach HWG sei. Ich musste die Passage daraufhin entfernen. Was ich hier in meinem Blog der freien Meinungsäusserung ohne Probleme schreiben kann und tue, darf ich halt nicht so ohne Weiteres in einem geschäftlichen Kontext. Da greifen dann andere Gesetze, als z.B. die in der Verfassung garantierten Meinungsfreiheit (GG §5) wie das UWG (Unlauterer Wettbewerb Gesetz) und das HWG (Heilmittelwerbegesetz). Bei dem ganzen Verfahren ging es nur um ein einziges Wort, das an einer einzigen Stelle genannt wurde, nämlich "esoterisch". So fitzelig können Verfahren sein. Ein falsches geschriebenes Wort und schon hängt man am Fliegenfänger.

Ich habe mir dazu auch eine Experten-Meinung eingeholt. Prof. Sauerland vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Köln hat mir Folgendes gemailt:

"Das Gericht versteht unter einer esoterischen Methode eine Behandlung „mit geistiger Heilweise“. Weil Osteopathen in Deutschland auch Heilpraktiker sein müssen, ist rechtlich festgelegt, dass Osteopathen auch Wissen der körperlichen Medizin verfügbar haben. Davon sind reine „Geistheiler“ abzugrenzen, bei denen ein solches Wissen nicht verfügbar ist. Wenn also von Osteopathen ein Wissen des Körpers verlangt wird, dann muss die Behandlung („manuelle Behandlungsmethoden“) auch körperliche Elemente umfassen und kann nicht rein „esoterisch“ sein. Zweitens sind osteopathische Behandlungskonzepte auf körperliche und geistige Elemente ausgerichtet. Auch hier gibt es also keine rein esoterische Komponente, weil die Behandlung nicht allein über Seele, Bewusstsein, oder Gefühl erfolgen soll. Um diesen Anspruch zu widerlegen, müsste man beweisen, dass osteopathische Behandlung keine körperliche Wirkungen hat, was vermutlich zwar so ist, aber kaum nachweisbar ist.

 

Man könnte alternativ auch damit argumentieren, dass das Wort „esoterisch“ zwei Bedeutungen hat (siehehttps://www.duden.de/rechtschreibung/esoterisch). Die Osteopathie wäre demnach nicht esoterisch in dem Sinne, dass sie eine rein geistige Behandlungsweise darstellt, sondern nur esoterisch in dem Sinne, dass sie nur für Eingeweihte einsichtig und zugänglich ist. Ich fürchte allerdings, dass das Gericht diese Interpretation nicht akzeptiert, weil die Osteopathie von jeder Person erlernt werden kann und somit keine „Geheimwissenschaft“ darstellt. Auch wird die erste Bedeutung des Worts „esoterisch“ vom Gericht offenbar als maßgeblich oder ausreichend für eine Herabsetzung angesehen.

 

Nach meiner Einschätzung sollten Sie sich geschlagen geben, weil die Abgrenzung zwischen körperlicher und geistiger Behandlung nicht beweisbar oder widerlegbar ist. Sie können auch mit bester empirischer Evidenz nicht belegen, dass die Osteopathie keine oder eine allein geistige Wirkung hat. Denn es geht hierbei nicht um spürbare und messbare Effekte (= Nutzen), sondern um das behauptete Wirkprinzip (= Wirkungen). Daher sollten Sie in dem Text auf ihrer Website eher darauf hinweisen, dass Sie Behandlungsmethoden mit fraglichem Nutzen (insbesondere die Osteopathie) nicht anbieten.

 

Ich hoffe dies hilft Ihnen in ihrem Rechtsstreit ein wenig weiter. In der Sache haben Sie Recht und Ihr Anspruch nur evidenz-basierte Behandlung anzubieten ist genau richtig, aber den Kampf um die Deutungshoheit des Begriffs „esoterisch“ können Sie m.E. nicht gewinnen."


Ich bedanke mich recht herzlich an dieser Stelle noch einmal für die Expertise von Prof. Sauerland. Die bereits eingelegte Berufung beim OLG Düsseldorf - jenem Gericht, dass 2015 das bahnbrechende Urteil zur Osteopathie gesprochen hat - haben wir aufgrund der Expertise von Prof. Sauerland vor Einreichung der Berufungsschrift zurückgezogen. 


Die kritische Auseinandersetzung mit der Osteopathie / Craniosacralen Therapie, insbesondere mit der markenrechtlich geschützten Form eines gewissen Dr. Upledger / USA (†) geht natürlich hier weiter. 

Unterstützung habe ich erhalten vom "Netzwerk Evidenzbasierte Medizin" (EbM, Berlin), von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), Dr. Natalie Grams, Prof. Ed. Ernst und Mitgliedern des Münsteraner Kreises.

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