Eine kurze Geschichte der Osteopathie und die Parallele zum deutschen Heilpraktiker

Die Osteopathie wurde von dem amerikanischen Arzt Andrew Taylor Still im 19. Jahrhundert aus einer familiären Tragödie heraus gegründet. Er verlor seine Frau und einiger seiner Kinder aufgrund der damals oft grassierenden, bakteriellen Meningo-Enzephalitis und hing daraufhin den Glauben und das Vertrauen in die damalige Schulmedizin an den Nagel....Schnell fanden sich viele Anhänger dieser neuen Art von Behandlung, die mehr auf naturalistischen Vorstellungen, denn auf medizinischen Erkenntnissen beruhte....und die Gemeinschaft der Osteopathen wuchs und wuchs.....bis das erste Institut (College) gegründet wurde, in dem nun eine "Ausbildung" zum "Osteopathen" stattfand....

Diese "Ausbildung" zum "Osteopathen" war in seinen Anfängen über viele Jahrzehnte nicht staatlich reglementiert und eine reine Privatangelegenheit. Jedermann, der wollte - egal mit welchem Bildungsstand oder Vorberuf - konnte Osteopathie erlernen und bekam am Ende dieser "Ausbildung" ein "Diplom" in die Hand gedrückt. Es handelte sich also bei den damaligen Osteopathen um Laien, die nun medizinisch tätig wurden. Das Ihnen ausgehändigte "Diplom" verlieh Ihnen die nötige Seriösität, die sie brauchten, um damit in der Bevölkerung anerkannt zu werden.

Teil der Ausbildung zum Osteopathen war auch das Erlernen von Marketingtechniken insbesondere wie man sich schnell und effektiv einen zahlenden Patientenstamm heranzüchten könne....

Irgendwann war die osteopathische Bewegung in den USA dann so stark vertreten, dass man nach öffentlicher Anerkennung des vermeintlichen Berufes des Osteopathen strebte. Derweil sah die damalige etablierte Medizin eine Gefahr in der immer grösser werdenden Osteopathie-Gemeinschaft und wollte dies einschränken. Schliesslich bekamen die Osteopathen, was sie sich wünschten, unter der Bedingung, dass Sie erst ein reguläres medizinisches Studium absolvieren müssten und sich sozusagen - on top -  zum Osteopathen weiter qualifizieren konnten. Dann durften sie sich nun ganz offiziell "D.O." nennen, "Doctor of Osteopathy". Diejenigen, die diese Laufbahn nicht einschlagen wollten, blieben ganz die einfachen Osteopathen wie schon seit den ersten Zeiten der Osteopathie. Der D.O. ist in den USA dem M.D. = Medical Doctor gleichgestellt.

Quellen: 
1. http://edzardernst.com/wp-content/uploads/2015/11/brmedj05731.pdf
2. https://en.wikipedia.org/wiki/Osteopathy
3. https://en.wikipedia.org/wiki/Doctor_of_Osteopathic_Medicine
4. https://www.osteopathie-kothe.de/wp-content/uploads/2019/11/Gutachten-Osteopathie-Prof.-Resch.pdf

Parallele zu heute und vor allem zu den Verhältnissen in Deutschland: um dem Treiben des medizinischen Laientums ein Ende zu bereiten und Einhalt zu gebieten, haben die Nazis 1939 das Heilpraktikergesetz geschaffen. Dies auch, um gegen die jüdischen Ärzte vorzugehen, denen vorher und absolut willkürlich die Approbation entzogen worden war. Das Heilpraktiker-Gesetz war als "Abschaffungsgesetz" geplant....dann kam der 2. Weltkrieg und die Sache entwickelte sich - ohne die Nazis - in eine ganz andere Richtung....

Heilpraktiker - als medizinische Laien, wenn Sie nicht einen medizinischen Vor-Beruf haben - können die Osteopathie erlernen und legal anwenden, unabhängig vom Bildungsstand (zum Erlangen des Heilpraktiker-Status reicht der Hauptschulabschluss, siehe Heilpraktikergesetz von 1939) und unabhängig davon, wie viele Stunden sie sich in Osteopathie fortgebildet haben.

Die heutigen zahlreichen Osteopathie-Verbände in Deutschland (z.B. der VOD, hpO oder BVO) wollen genau das, was die medizinische, osteopathische Laienbewegung damals in den USA erreichen wollte: öffentliche Anerkennung und damit einen reglementierten, medizinisch anerkannten Beruf. Am Besten in einem "Osteopathie-Gesetz" verankert. 

Die osteopathische Methode ist in den Medien und den Köpfen mittlerweile vieler Verbraucher präsent, nicht zuletzt, weil sie von vielen gesetzlichen Krankenkassen be-zuschusst wird (was jedoch nichts über deren Wirksamkeit aussagt, sondern eher ein marketing-technisches Instrument ist). Die osteopathische Lobby leistet darüber hinaus unermüdliche Arbeit und wirkt auf die politischen Entscheidungsträger zum Erreichen Ihrer Ziele ein. Leider ohne den gewünschten Erfolg. Im Gegenteil: die Osteopathie musste in der näheren Vergangenheit erhebliche Rückschläge hinnehmen.

Inzwischen gibt es auch in Deutschland eine Gegenbewegung zum Heilpraktikertum, den sogenannten Münsteraner Kreis, der ein Memorandum (Expertise) vorgelegt hat, nach dem das Kompetenzspektrum eines Heilpraktikers entweder stark eingeschränkt werden oder - alternativ - man den Beruf im Sinne einer evidenz-basierten Medizin ganz abschaffen solle. Letzteres wäre die beste Lösung, steht aber im Widerspruch zum Grundgesetz und der hier verankerten Berufsfreiheit.

Wird sich die Geschichte also wiederholen? Werden die deutschen Osteopathen die so sehr herbeigesehnte öffentliche Anerkennung - wie einst Ihre beruflichen amerikanischen Vorfahren bekommen? Sieht nicht danach aus und das ist auch gut so. 

Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Heilpraktiker
https://de.wikipedia.org/wiki/Heilpraktikergesetz


Zum Schluss eine kleine Geschichte:

Das Märchen vom verdrehten Kreuzbein
Osteopathen erzählen Ihren Patienten gerne Geschichten, wie das Märchen vom verdrehten Kreuzbein. 
Dieses lautet in Kurzform: "wenn Du (Patient) mal auf das Kreuzbein gefallen bist und dann irgendwann Rückenschmerzen oder andere Beschwerden entwickelst, ist es auf ein verdrehtes und in seiner natürlichen Funktion eingeschränktes Kreuzbein zurückzuführen ist. Ich, der speziell ausgebildete Osteopath, kann das mit meinen speziell trainierten, einfühlsamen Händen erspüren und die Dysfunktion beheben (Osteopathen sprechen ja heutzutage nicht mehr von "osteopathischer Läsionen", sondern eher von "somatischen Dysfunktionen"), du musst nur regelmässig kommen, alle 3-4 Wochen reicht aber in der Regel......"



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