Osteopathie vor dem endgültigen Aus ?! - neues Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

Die Osteopathie steckt fest. Erst wurde die hessische Sonderregelung für Osteopathen mit dem Ende der WP-Osteo zum 1.1.2019 aufgehoben und nun muss die Osteopathen-Gemeinschaft mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.10.2019 eine weitere, bittere Niederlage einstecken. Das Urteil können Sie auf der Seite des BVerwG hier einsehen. Zur Erinnerung: ein Urteil eines Bundesgerichtes ist bindend für alle niederen Gerichte in derselben Gerichtsbarkeit, also für alle niederen Verwaltungsgerichte; es kann aber auch in anderen, z.B. wettbewerbsrechtlichen Verfahren Eingang finden.

Ein Physiotherapeut mit anschliessender 6-jähriger osteopathischer "Ausbildung" begehrte eine (neuartige) "Heilpraktikerzulassung beschränkt auf das Gebiet der Osteopathie". Dies wurde ihm nun höchstrichterlich verwehrt. Mit dem Urteil wurde das Ersturteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart in dieser Sache bestätigt. Es war u.a. die Frage zu klären, ob die Osteopathie eine eigenständige und von anderen medizinischen Methoden klar abgrenzbare Methode sei und, wenn ja, ob dies zu einer Zulassung als sektoraler Heilpraktiker berechtige.

Interessant und bemerkenswert sind nun die im Urteil zitierten Begründungen des Verwaltungsgerichtes Stuttgart (Ziffern 3 und 4 ) und des BundesVerwaltungsGerichts selbst (Ziffern 11, 19 und 23) zu diesen, 
die Osteopathie betreffenden, elementaren Fragen.  Zitate:
"3 Die Osteopathie sei in Deutschland nicht gesetzlich geregelt und habe kein eigenständiges Berufsbild. Damit sei auch ihr Tätigkeitsumfang nicht hinreichend definiert und abgrenzbar. Nach ihrem Selbstverständnis gehe die Osteopathie von einem ganzheitlichen Behandlungsansatz aus und könne bei einer Vielzahl von gesundheitlichen Beschwerden und in praktisch allen medizinischen Fachbereichen Anwendung finden. Aufgrund ihres breit gefächerten Einsatzes sei eine klare Abgrenzung wie bei der Physiotherapie oder Podologie wirklichkeitsfern.

4 Die Osteopathie erfülle aber nicht die Voraussetzungen für eine sektorale Heilpraktikererlaubnis, da sie nicht hinreichend ausdifferenziert und abgrenzbar sei.....Es existiere noch nicht einmal eine einheitliche Definition der Osteopathie, die allgemein anerkannt und verbindlich wäre.

11 Die eigenverantwortliche Anwendung osteopathischer Methoden zur Krankenbehandlung ist danach Ausübung der Heilkunde. Sie setzt nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) heilkundliche Fachkenntnisse voraus und kann auch nennenswerte gesundheitliche Schäden verursachen.

19 cc) Anders als bei der Physiotherapie und der Logopädie handelt es sich bei der Osteopathie auch nicht um ein gesetzlich vorgesehenes und durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgegebenes Heilmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung....

23 Auch wenn die Zuerkennung einer sektoralen Erlaubnis kein gesetzlich fixiertes Berufsbild voraussetzen sollte, muss sich der Umfang der erlaubten Tätigkeit jedenfalls anhand eines in vergleichbarer Weise fest umrissenen, abgrenzbaren Berufsbildes bestimmen lassen können. Das ist hier nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts für den Bereich der Osteopathie nicht der Fall.
Es gibt keine einheitliche Definition der Osteopathie, die allgemein anerkannt und verbindlich ist. Auch fehlt es an einheitlichen Vorgaben für die Ausbildung zum Osteopathen." 
{Hervorhebungen in "fett" durch den Blog-Autor}

Schon in einem anderen Urteil des OLG-Frankfurt (OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 21.6.2018  6 U 74/17) wurde festgestellt, Zitat: Rn. 28 "....Eine klare Trennung der Osteopathie von anerkannten Methoden der manuellen Medizin ist also offenbar nicht möglich."

Fazit
Es gibt kein einheitliches Tätigkeitsfeld des "Osteopathen", das sich von anderen Tätigkeiten wie z.B. Physiotherapie oder Logopädie klar abgrenzen liesse. Mit anderen Worten: die Osteopathie ist ein Misch-Masch, ein Sammelsurium an nicht weiter klar abgrenzbaren Behandlungstechniken und Methoden, oft sogar aus anderen Disziplinen entnommen. Als eine eigenständige Methode kann sich die Osteopathie also nicht bezeichnen. Was ist die Osteopathie dann? Diese Frage bleibt offen, niemand weiss es so genau. Das Gericht stellte im Übrigen auch fest, Osteopathie könne unmittelbare und nennenswerte gesundheitliche Schäden verursachen (siehe unter 11)!

Wenn Sie also zum Osteopathen A gehen, kommt der höchstwahrscheinlich zu anderen Ergebnissen als Osteopath B. Wem soll man dann glauben? Am Besten keinem von beiden! Lassen Sie einfach die Finger von der Osteopathie und lassen sich von ordentlich heilkundlich Tätigen mit einem klar definierten Berufsbild behandeln. Dort werden Sie im Übrigen auch ganzheitlich behandelt. Die Ganzheitlichkeit ist ja ein Attribut, mit dem sich gerne die alternativ-pseudomedizinischen Methoden schmücken. Jedoch: a
lle Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Podologen und Logopäden behandeln ganzheitlich! Ganzheitlich nämlich in dem Sinne, dass in einer Behandlung das ganze dem Therapeuten zur Verfügung stehende und von einer staatlichen Kommission geprüfte Wissen zum Einsatz am Patienten kommt.

Ausblick
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sendet auch Signale an den Gesetzgeber, in dem es an mehreren Stellen von einer "systematischen Unstimmigkeit" in der Gesetzgebung spricht. Auf der einer Seite gebe es im Gesundheitswesen klar umrissene Berufsbilder mit hohen Qualifikationsanforderungen {wie z.B. die Physiotherapie, Podologie oder Ergotherapie, Erg. des Autors} auf der anderen Seite reiche allein eine Kenntnisüberprüfung aus, um nach dem Heilpraktikergesetz heilkundlich tätig zu werden. Ein Wink mit dem Zaunpfahl an den lieben Herrn Spahn und sein Ministerium. Der hat ja auch schon ein Rechtsgutachten zum Heilpraktiker in Auftrag gegeben.


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